Warum CFO Kathrin Dahnke Ottobock ver-lassen musste

2022-07-25
Lesezeit: 5 min

Finance Magazin, Warum CFO Kathrin Dahnke Ottobock ver-lassen musste von Paul Siethoff und Markus Dentz

Eigentlich sollte CFO Kathrin Dahnke Ottobock auf einen Börsengang vorbereiten. Dann kam alles anders: Die Eigentümer um Verwaltungsratschef Hans Georg Näder bliesen den IPO ab. Die Finanzchefin und zwei weitere Vorstände mussten gehen. Warum?

Mitte Mai hallte ein Paukenschlag durch das niedersächsische Duderstadt: Der dortige Prothe-senhersteller Ottobock entließ innerhalb von nur zwei Tagen gleich drei seiner wichtigsten Vorstands-mitglieder. Zunächst Finanzchefin Kathrin Dahnke, aber wenige Stunden später wurde bekannt, dass auch CEO Philipp Schulte-Noelle Ottobock verlassen muss.

Zwei Tage später gab Ottobock noch einen weiteren Weggang in der Vorstandsetage bekannt: Der Technikchef (CTO) Andreas Goppelt musste das Unternehmen verlassen, seine Aufgaben hat COO Arne Jörn zusätzlich zu seiner Funktion als Leiter des operativen Geschäfts übernommen. Die CEO-Position hat inzwischen interimistisch Oliver Jakobi inne, der bisher als Chief Sales Officer im Vorstand agierte. Nachfolger von Dahnke auf dem CFO-Posten ist Arne Kreitz, der bereits Teil der er¬weiterten Geschäftsführung bei Ottobock war. Wie kam es zu dem Managementbeben?

Kathrin Dahnke war erst im September vergangenen Jahres zu Ottobock gestoßen, um als neue CFO das Familienunternehmen an die Börse zu bringen. Es klang nach einem perfect Fit: Sie brachte sowohl Erfahrung aus Familienunternehmen wie dem Mischkonzern Werhahn als auch von börsennotierten Unternehmen wie Gildemeister (heute DMG Mori) und Osram mit. Den schwergewichtigen IPO von Knorr-Bremse hatte sie als Aufsichtsrätin begleitet. Dahnke galt auch deshalb als passende Kandidatin, weil sie Ottobock aus einer vormaligen Anstellung bereits kannte. Die 61-Jährige hatte damals zum Jobantritt direkt die Aufgabe bekommen, Kontakt zu Banken und potentiellen Investoren aufzunehmen.

Ottobock-IPO rückt in die Ferne

Da auch der bisherige CEO Schulte-Noelle voll hinter einem Börsengang stand, galt der Schritt ursprünglich als ausgemachte Sache. Das Unternehmen hatte im vergangenen Sommer bereits Banken mandatiert und unter Regie von CFO Dahnke den Rechnungslegungsstandard IFRS eingeführt. Zu dieser Zeit bestanden „keine Zweifel“ am Plan IPO, wie FINANCE aus Unternehmenskreisen erfuhr. Ottobocks Gang an die Börse wäre einer der größten deutschen IPOs 2022 geworden.

Doch seit Jahresbeginn hat sich das Umfeld für Börsengänge stark eingetrübt – damit war auch die Bewertung von 5 bis 6 Milliarden Euro Makulatur, die sich die Eigentümer im Spätsommer des Vor-jahres ausgerechnet hatten. In der Folge wandelte sich auch die Stimmung bei Hans Georg Näder, der die Mehrheit der Anteile über die Dachgesellschaft Näder Holding hält, und wohl auch beim Minderheitsaktionär EQT. Der Investor mit Sitz in Stockholm hält seit fünf Jahren 20 Prozent an dem Prothesenhersteller. Die Manager Marcus Brennecke und Johannes Reichel hoffen seither auf einen goldenen Exit.

Ottobock: Sieben CFO-Wechsel seit 2017

Den Kurswechsel, der zum Weggang von Dahnke und Schulte-Noelle führte, erklärte Eigentümer Näder nun damit, dass man künftig auf eine Wachstumsstrategie setze. „Wir werden unseren Fokus noch konsequenter auf das operative Geschäft, die starke Kundennachfrage und die nachhaltige Steigerung unseres erfolgreichen Wachstums setzen“, sagte Näder im Mai bei der Bekanntgabe des Personalwechsels.

Auch wenn die Motive für den Rückzug des IPO nachvollziehbar sind, ist die Art der Kommunikation bedenklich. So wirkt das offizielle Argument für Dahnkes Weggang seltsam und vorgeschoben – das Unternehmen begründete den Schritt im Mai damit, Dahnke sei die richtige Personalie für den Weg bis zur Börsenreife gewesen, nun vollziehe Ottobock „den geplanten Wechsel im Finanzressort früher als ursprünglich geplant“. Dass dieser Wechsel ohnehin geplant gewesen sein soll, war aber vorher nicht bekannt. Beim Antritt von Dahnke im Sommer 2021 war keine Rede von einer so kurzen Amtszeit gewesen. Zudem hat sich der CFO-Posten bei Ottobock zum heißen Stuhl entwickelt: Hier gab es seit 2017 ganze sieben Wechsel.

Fragwürdige Kommunikation bei Ottobock

Wie kommt es? „Näder trifft einsame Entscheidungen, die manchmal nicht nachvollziehbar sind“, sagt eine mit dem Unternehmen vertraute Person gegenüber FINANCE. In das Bild des eigenwilligen Ottobock-Patriarchen passt auch, dass die Tageszeitung „Welt“ kürzlich ein Interview mit dem Unternehmer abbrach. Näder wollte im Gespräch den zentralen Vorwurf der Zeitung nicht beantworten. Diese hatte in den Raum gestellt, die Ottobock-Bilanzen würden den Eindruck erwecken, dass die „Unternehmerfamilie seit Jahren mehr Geld aus der Firma entnimmt, als diese verdient“. Konkret hätten die Eigentümer um Näder zwischen 2016 und 2020 rund 455 Millionen Euro mehr aus dem Unternehmen entnommen, als sie beim Jahresüberschuss ausweisen würden.

Der Bericht bezieht sich auf die Unternehmensstruktur von Ottobock – die Familie Näder hält über die Näder Holding ihre Anteile. In der weitverzweigten Unternehmensgruppe sollen Verluste angefallen sein. Die Ottobock SE & Co. KGaA, in der das operative Geschäft liegt, hat allerdings Unternehmensangaben zufolge 2020 „einen Jahresüberschuss im zweistelligen Millionenbereich erwirtschaftet“. Der Ottobock-Gesamtkonzern hatte von 2020 auf 2021 ein Gewinnwachstum (bereinigtes EBITDA) von 216 auf 234 Millionen Euro vermelden können.

Doch die Verwirrung ist groß, viel Porzellan ist in den vergangenen Wochen zerschlagen worden, das Vertrauen in Ottobock erschüttert. Kathrin Dahnke sollte aus dem Fiasko trotzdem einigermaßen unbeschadet hervorgehen. Sie konzentriert sich derzeit auf Aufsichtsratsmandate wie bei Knorr-Bremse, wo sie bis 2026 berufen ist und den Prüfungsausschuss leitet.

Infokasten

Hans Georg Näder

Der 60-Jährige ist eine umtriebige Unternehmerpersönlichkeit. Er hält die Mehrheit der Anteile an der Ottobock-Unternehmensgruppe und war lange Zeit im Vorstand tätig. Neben der Internationalisierung von Ottobock, die er bereits in den 90er Jahren vorantrieb, fiel er auch immer wieder durch schillernde Geschichten im Boulevard auf.

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